Bevor du dein Auslandsjahr beginnst, erscheint dir der Abschied von Familie, Freunden und deiner Heimat wahrscheinlich wie eine riesige Hürde, die unausweichlich Tränen und Heimweh bedeutet. So hatte ich es mir jedenfalls vorgestellt; immerhin verabschiedet man sich ja für ein ganzes Jahr und das kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Im Nachhinein kann ich jetzt sagen, dass ich da viel zu viel drüber nachgedacht habe, denn es war gar nicht so schlimm, wie ich es mir ausgemalt hatte.
Der Abschied von meinen Freunden fiel mir überraschenderweise relativ einfach. Ich habe mit zwei anderen Mädchen aus meiner damaligen Klasse zusammen eine Abschiedsparty geschmissen, da die beiden auch ins Ausland gingen. Das kann ich jedem empfehlen: Es muss nichts Großes sein, aber einfach noch ein letztes Mal zusammenkommen und einen schönen Abend haben. Bei der Gelegenheit kann man sich von allen verabschieden, ohne dass es zu traurig wird. Wenn du ein Abschiedsbuch machen möchtest, ist dies auch die Gelegenheit, deinen Freunden Zeit zu geben, sich einzutragen. Ich habe keins gemacht, aber von einigen Leuten Briefe und Karten bekommen, die ich auf meinem Flug lesen sollte.
Ein paar Tage vor meinem Abflug bin ich mit meinen Eltern abends sehr feierlich und schick essen gegangen, quasi als Abschiedsessen. Der richtige Abschied von ihnen am Flughafen war dann doch ein wenig ernster und ich würde lügen, wenn ich sage, ich hätte keinen Kloß im Hals gehabt. Wir haben zuerst meinen Koffer aufgegeben und dann habe ich meine Eltern noch ein letztes Mal umarmt. Es war definitiv ein etwas ungewohntes Gefühl. Ich wusste, dass ich sie erst in einem Jahr wiedersehen würde, aber so hat es sich gar nicht angefühlt. Es kam mir nur so vor, als würde ich mich von ihnen für eine Woche verabschieden, als würde ich auf Klassenfahrt fahren. Dieses Gefühl blieb, bis ich in Frankfurt war. Auf dem Flug dahin habe ich die Briefe meiner Freunde gelesen und dann doch ein, zwei Tränen vergossen.
Aber sobald ich in Frankfurt war, war das alles wie weggeblasen. Ich hatte gute Laune und war zuversichtlich. Relativ zügig habe ich andere Austauschschüler von DFSR getroffen. Wir hatten alle das Schlüsselband um, woran wir uns erkannt haben. Wir haben uns gemeinsam unser Gate gesucht und auf den Abflug gewartet. Es tat gut, sich mit anderen auszutauschen über Abschiede und die Gastfamilien, die man schon bald sehen würde. Der Flug ging ziemlich schnell vorüber und schon sahen wir die Skyline von New York beim Landeanflug. Ich konnte es noch gar nicht wirklich glauben und war total hibbelig, aber auch unheimlich nervös wegen der Passkontrolle und der Einreise in die USA. Ich hatte zwar alle Dokumente und ein ausreichendes Englisch, aber ich hatte trotzdem ein wenig Angst, dass ich nicht verstehen würde, was der Grenzbeamte sagt und dann kann ich nicht einreisen. Diese Sorge stellte sich dann als komplett unbegründet raus. Die Beamten waren größtenteils nett und verstehen konnte man sie auch. Niemand hatte Probleme beim Einreisen oder bei der Verständigung. Wir holten unsere Koffer und dann wurden wir von zwei Frauen in roten Jacken begrüßt, die mit uns ins Hotel gefahren sind, wo das Softlandingcamp stattfinden sollte.
Es hat sich die ganze Zeit angefühlt wie eine Klassenfahrt oder ähnliches, aber definitiv nicht, wie der Abschied für ein ganzes Jahr. So schlimm und schmerzhaft, wie ich gedacht hatte, dass es sein würde, war es gar nicht. Während der Reise ist man viel zu beschäftigt mit anderen Dingen, Briefe lesen, Vorfreude, Nervosität, als dass man schon seine Familie vermisst. Im Endeffekt war alles also gar nicht so schlimm wie erwartet. Und sobald man erst einmal da ist, erlebt man so viel, dass da kaum Zeit für Heimweh oder Ähnliches bleibt.
Mach dir keine Sorgen und sei einfach zuversichtlich,
See ya!
Annika